aktuelles Projekt:

 

Interaktionen in der Ethnologie zwischen Wien und Frankfurt, von der Zwischenkriegszeit bis in die unmittelbaren Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der kulturhistorische Ansatz als gemeinsamer Nenner in Zeiten von Krisen und totalitärem Regime

 

Zusammenfassung:

Werden die Verbindungen von Wiener Völkerkundlerinnen und Völkerkundlern zu deutschen fachspezi-fischen Instituten und Museen von der Zwischenkriegszeit bis in die unmittelbaren Jahre nach dem Zwei-ten Weltkrieg einer genaueren Betrachtung unterzogen, so fallen die vergleichsweise intensiven und kon-tinuierlichen Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen in Frankfurt auf. 

Als Erklärung hierfür bietet sich an, dass sowohl Wien als auch Frankfurt gewissermaßen Hochburgen der kulturhistorischen Schule innerhalb der Völkerkunde darstellten, wenngleich diese auf unterschiedlichen und auch wechselnden, z.B. religiösen oder rassistischen Grundannahmen basierten. Andernorts wandten sich viele Gelehrte der Völkerkunde funktionalistischen, psychologisch-orientierten oder weiteren tenden-ziell gegenwartsbezogenen Ansätzen zu. Gegenstand der kulturhistorischen Richtung war hingegen meist das historisch ausgerichtete Aufdecken sogenannter Kulturkreise oder Kulturareale mit ihren jeweiligen Ausstrahlungs-Zentren. Dies war eine der bedeutendsten völkerkundlichen Ansätze in Österreich und Deutschland jener Zeit und beeinflusste andere Disziplinen, – wie z.B. Volkskunde, Archäologie, Vor- und Frühgeschichte sowie Kunstgeschichte. 

Ziel des Projektes ist es aufzudecken, welche konkrete Bedeutung der kulturhistorische Ansatz mit den häufig differierenden Grundannahmen für die einzelnen Kontakte zwischen den verschiedenen Wiener und Frankfurter Völkerkundlerinnen und Völkerkundlern während der rund drei Jahrzehnte hatte, und wie sich die einzelnen Beziehungen gestalteten, als in Österreich und Deutschland unterschiedliche politische Sys-teme herrschten, im Fach über die Bedeutung der sogenannten Rassenkunde diskutiert wurde, die meisten Fachgelehrten sich für die Wiederaneignung der ehemals deutschen Kolonien einsetzten und welche Rolle die jeweilige politische Positionierung spielte, um nur einige Aspekte zu nennen. Konkret im Hinblick auf den Nationalsozialismus soll geprüft werden, welche Bedeutung die jeweilige Haltung zum Regime sowohl für den Forschungsansatz als auch für die einzelnen Kontakte zwischen den Gelehrten hatte und inwiefern der gemeinsame kulturhistorische Ansatz gegebenenfalls politische und ideologische Differenzen überbrücken konnte.

Anhand von Interviews, Archivmaterial, Primär- und Sekundärliteratur wird diesen und weiteren Fragen nachgegangen. Dabei werden die einzelnen Personen und ihre Arbeit im Kontext ihrer Netzwerke und unter dem jeweiligen Einfluss sozialer, politischer, nationaler und internationaler sowie regionaler Gegebenheiten betrachtet.

Allgemein soll die Studie einen Beitrag hinsichtlich der Frage leisten, wie eng persönliche Kontakte, wissenschaftliches Arbeiten und politische Positionierungen miteinander verbunden waren und welche Bedeutung diesen Beziehungen in Zeiten von Krisen und totalitären Regimen zukommen konnte.

 

Dieses Projekt wird vom FWF (Elise Richter Programm) gefördert.